Dreiundvierzig Milligramm

Ich fühle mich wie in einer Zwangsjacke,
kann nicht raus aus meiner Haut,
bin wie gedopt, alle Tics schlafen friedlich
sie ruhen förmlich – acht Jahre Dornröschenschlaf
ich mucke nicht mehr auf, bin ganz ruhig –
gestellt, brav, so muss das sein,
fühle mich hilflos und klein
der kleine Lothar rebelliert –
still vor sich hin,
ich habe ihn lieb und doch das Gefühl,
dass ich ihm nicht gerecht werde
meine Medikamente – Fluch oder Segen?
Kein Impuls tut sich mehr regen
Nur ab und zu mal ein leiser Gedanke daran,
dass das mal ganz anders war:
Laut und rebellisch, unvernünftig und wild,
unbezähmbar wie ein Tier, das Tier in mir,
energisch, spontan, kräftig und lebendig,
hungrig nach Leben, dürstend nach Freiheit
und Befreiung, Wut im Bauch, ungestüm
und echt – ätzend, was davon übrig geblieben ist:
Ein Bündel Fleisch und Fett,
träge und stumpf, schläfrig, apathisch
jede Bewegung bleibt anstrengend, alles
dumpf, zu dumpf, um depressiv zu werden,
und das alles von dreiundvierzig Milligramm täglich…
ich frage mich, ob das jemals wieder
anders wird

Lothar Schwalm