Private Haftpflichtversicherung mit Tourette-Syndrom oder anderen Behinderungen

von Christian Hempel

Eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen zu haben, gilt als absolut wichtigste Versicherung, sozusagen ein "Muss" unter allen anderen Versicherungen. Jeder, der nicht mehr bei den Eltern mitversichert ist, sollte eine private Haftpflichtversicherung unterhalten. Private Haftpflichtversicherungen setzen dort ein, wo eine versicherte Person Schäden an Personen oder Sachen anderer verursacht hat und in die Pflicht genommen wird, Schadensersatz zu leisten.

In einem Gespräch mit einem Freund kam die Frage auf, inwieweit ein Versicherungsfall der durch Tics des Tourette-Syndroms verursacht wurde und bei dem andere einen Schaden erlitten haben, von der privaten Haftpflichtversicherung überhaupt abgedeckt ist. Bei der Vorstellung, dass durch einen heftigen motorischen Tic, Dinge oder Personen zu Schaden kommen könnten, wird klar, dass eine finanzielle Absicherung hier Sinn macht. Motorische Tics, wie zum Beispiel heftige Zuckungen der Arme oder Beine, können, wenn auch selten, Schaden anrichten. Zwanghaftes Verhalten kann etwa nicht ohne Folgen bleiben - als Beispiel sei hier das Auslösen eines Gebäude-Feueralarms genannt, der die Feuerwehr direkt zum Ausrücken alarmiert.

In dem, wenn auch relativ kurzen Moment eines Tics, ob nun motorischer, vokaler oder zwanghafter Art, hat der Betroffene keine Kontrolle über seinen Willen.

Hierbei müssen nun sowohl das Verhältnis vom Schädiger zum Geschädigten als auch das Verhältnis vom Schädiger zu seiner privaten Haftpflichtversicherung betrachtet werden.

Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Schädiger können wegen Deliktsunfähigkeit im Moment der Schadenszufügung ausgeschlossen sein.

Im § 827 BGB steht zur Definition der Deliktsunfähigkeit: "Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. [...]"

Nun werden hier mit den Begriffen "Bewusstlosigkeit" und "krankhafter Störung der Geistestätigkeit" die Tics des Tourette-Syndroms nicht genau beschrieben, aber könnten hier untergeordnet werden. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist stets eine Einzelfallbetrachtung.

Der private Haftpflichtversicherer stellt den Versicherungsnehmer hingegen von gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen frei, indem der Versicherer entweder den Schaden zahlt oder geltend gemachte Ansprüche abwehrt. Wenn der Versicherer nach Eintritt eines Versicherungsfalls davon ausgeht, dass der Schaden ursächlich mit der Erkrankung/Behinderung am Tourette-Syndrom zu tun hat und dadurch eine Deliktsunfähigkeit vermutet, würden geltend gemachte Schadensersatzansprüche höchstwahrscheinlich abgewehrt werden.

Hier kann eine Deliktsunfähigkeitsklausel in entsprechenden Versicherungsverträgen von großer Bedeutung sein. Eine Haftpflichtversicherung mit dem Einschluss, den Schaden auch bei vorliegender Deliktsunfähigkeit zu zahlen, ist in unserem Beispiel sehr wichtig. Die Versicherung würde bei vorliegender Deliktsunfähigkeit und ohne Einschluss der Deliktsunfähigkeitsklausel versuchen, die Übernahme der Kosten abzuwehren und der Geschädigte wäre darauf verwiesen, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Bei vorliegender Deliktsunfähigkeit und entsprechender Deliktsunfähigkeitsklausel im Versicherungsvertrag verzichtet der Versicherer hingegen ganz oder teilweise auf den Einwand der Deliktsunfähigkeit, sodass der Geschädigte entschädigt werden könnte.

Es lohnt der genaue Blick ins Kleingedruckte.

Ein Blick in die vertraglichen Vereinbarungen der Versicherer zeigt: Manche Versicherer schließen die Übernahme der Kosten eines Versicherungsfalls bei vorliegender Deliktsunfähigkeit komplett aus, manche schließen die Übernahme nur bis zu einem Bruchteil der allgemein vereinbarten Deckungssumme für Personen- und Sachschäden ein und manche Versicherer übernehmen den Schaden bis zur komplett vereinbarten Deckungssumme auch bei vorliegender Deliktsunfähigkeit.

Allgemein ist als sicherster Weg zu raten, den Versicherer schon vor Abschluss einer Versicherung zu kontaktieren um a) überhaupt in Kenntnis über das Vorliegen der Behinderung zu setzen, damit dieser später nicht im Falle eines Schadens erklären kann, er übernähme diese nicht, weil er keine Kenntnis über das vorliegende Risiko gehabt hätte. Dies ist durchaus auch sinnvoll, auch wenn es grundsätzlich keine Pflicht gibt, dem Haftpflichtversicherer gesundheitliche Umstände vor Abschluss der Versicherung ungefragt angeben zu müssen. Und b) zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Versicherung in einem Fall von Deliktsunfähigkeit eintritt.

Gegebenenfalls lohnt sich ein Wechsel zu einem Versicherer, der eine vorliegende Deliktsunfähigkeit vollumfänglich berücksichtigt. Stand September 2021 gibt es einige Versicherer die dies aufschlagfrei und regulär in Ihren Angeboten mitversichern. Unter Angabe der Beweggründe, also des teilweisen oder gänzlichen Fehlens der Deliktsunfähigkeitsklausel und dem Vorliegen eines Tourette-Syndroms sind manche Versicherer sogar bereit, einer frühzeitigen Kündigung des Vertrags zuzustimmen, so dass es möglich wird, eine entsprechende Versicherung mit Deliktsunfähigkeitsklausel und vollumfänglicher Deckungssumme bei einem anderen Anbieter zeitnah abzuschließen und nicht erst auf das Ende der regulären Vertragslaufzeit des alten Anbieters warten zu müssen.

Dieser Artikel ist von einem juristischen Laien und aus Erfahrung mit entsprechenden Versicherern entstanden, d.h. dass er im Zweifelsfalle eine Rechtsberatung von Fachpersonen natürlich nicht ersetzen kann und will.