Umleiten von Tics

von Jutta Konrath

Einige Mitglieder der Redaktion, die mich persönlich kennen, haben mich gebeten, meine Erfahrungen mit dem Umleiten meiner Tics einmal aufzuschreiben. Das tue ich gerne.

Ich praktiziere diese Technik schon seit nunmehr über 20 Jahren (Damals wusste ich noch gar nicht, dass meine Erkrankung Tourette heißt) und es ist mir ebenso vertraut und selbstverständlich geworden wie meine Tics.

Angefangen habe ich damit eher unbewusst, weil ich mich meiner Gesichtstics schämte (und auch deswegen ausgelacht wurde) und versuchte sie zu unterdrücken.

Besonders wenn ich in Gesellschaft bin oder fremden Menschen begegne (z.B. Beruf, Schule, Einkauf, Ämter etc.), versuche ich meine Tics, die bei mir primär im Gesicht auftreten, durch das Umleiten unter Kontrolle zu halten.

Als ich vor ca. 2 Jahren einen Kurs für progressive Muskelentspannung besuchte, stellte ich fest, dass mein Umleiten der Tics eigentlich das Gleiche ist. Ich spanne die Muskulatur des Unterarms stark an und lasse dann wieder los. Dies tue ich bewusst und auf den Arm konzentriert. Auch ein schnelles und festes Spreizen der Finger und Zehen, manchmal bis zu 30mal hintereinander, hilft mir sehr die Spannung, die durch das Kontrollieren der Tics entsteht, abzubauen.

Dass ich auch schon vom vielen Umleiten Schmerzen in den Armen und im Handgelenk hatte, will ich aber nicht verschweigen.

Trotzdem: Ich habe durch das Umleiten ein Gefühl der Stärke gegenüber meiner Krankheit.

In gewohnter häuslicher Umgebung lasse ich meine Tics zu.

Ich grüße alle ganz herzlich

Jutta Konrath

 

Ich kenne Frau Konrath nun schon ca. 3 Jahre persönlich und treffe mich des öfteren mit ihr. Wir verbringen oft mehrere Stunden miteinander und ich kann nur bestätigen, dass es ihr tatsächlich gelingt, auch über einen so langen Zeitraum, die Tics komplett umzuleiten.

Ich kenne Tourette und seine vielfältigen Symptome schon mehrere Jahre und selbst wenn ich Frau Konrath intensiv beobachte, kann ich nicht feststellen, dass mir hier eine Person gegenübersitzt, die am Tourette-Syndrom erkrankt ist.

Es freut mich für sie, dass sie ihre Krankheit so gut kontrollieren kann. Vielleicht kann das Umleiten auch für andere Betroffene eine Möglichkeit sein, ihre Tics als weniger belastend zu erleben.

Jutta Schmidt

Quelle: Mitgliederzeitung der Tourette-Gesellschaft Deutschland "Tourette Aktuell" Nr. 4